Das kann ich

Valentina Maceri, 31, ist eine neue Art von Sportmoderatorin. Sie war selbst Profifußballerin, wechselte aber schon früh an den Spielfeldrand. Im Gespräch mit Continental spricht die heutige TV-Moderatorin Maceri über die Frauen-EM im Land ihres Arbeitgebers, dem Schweizer Fernsehsender Blue Sport. Und über ihren Umgang mit Sexismus, übers Internet-Trollen in der Fußballbranche – und ihre polarisierenden Auftritte im Sport1-Doppelpass.
Frau Maceri, mit welcher Frage würde die erfahrene Sportjournalistin Valentina Maceri ein Gespräch mit der ehemalige Profifußballerin Valentina Maceri so kurz vor einer EM in der Schweiz beginnen?
Wahrscheinlich mit einer eher seichten Frage zum Einstieg: Worauf man sich am meisten bei dem Turnier freue, und welches Potenzial in dem Turnier stecke, zum Beispiel.
Was würden Sie antworten?
Dass ich hoffe, dass das Turnier nochmal eine Steigerung zur letzten EM in England wird. Ich war damals vier Wochen vor Ort. Die Atmosphäre im Land, das Interesse am Turnier, die mediale Berichterstattung, das Niveau der Spiele – da stimmte vieles. Gerade, wenn ich es mit der Zeit vergleiche, in der ich selbst noch gespielt habe. Ich bin mir sicher, es wird noch faszinierender als die letzte EM in London.
Sie beendeten Ihre aktive Profi-Karriere sehr früh, mit 20 Jahren. Heute sind Sie 31. Was war damals anders?
Ich sag’s ganz ehrlich: Ich hab’s geliebt zu spielen. Aber ich war kein Fan davon, Frauenfußball zu gucken. Tempo, Taktik und Technik waren damals noch nicht auf dem Niveau von heute. Das hat sich stark verändert, und das wird die EM in der Schweiz so attraktiv für jeden Fußballfan machen.
Rudi Völler hat dem ehemaligen Nationalspieler Marcell Jansen, als der seine Karriere mit 29 beendete, vorgeworfen: „Wer sowas macht, der hat den Fußball nie geliebt“. Was würden Sie Rudi Völler entgegen, wenn er Ihnen das gleiche vorwerfen würde?
Dass ich kein Mann bin! (lacht). Aber mal im Ernst: Ich habe den Fußball geliebt, sehr sogar. Ich habe so gerne gespielt. Aber als Frau musste ich mich im Gegensatz zu einem Mann eben schon früh fragen: Wie soll’s eigentlich weitergehen? Außerhalb der Top-3-Clubs hatten ja alle Spielerinnen noch einen weiteren Job. Und ich wollte eben Sportjournalistin werden.
Heute sind Sie Moderatorin. Durch Ihre Erfahrungen als Spielerin haben Sie aber auch das Wissen einer Expertin. Sind sie damit eine neue Art von Moderatorin?
Eine gute Art von Moderatorin, das hoffe ich in jedem Fall. Ich fände es schön, wenn ich jungen Spielerinnen zeigen kann: Es gibt ein Fußballleben nach der aktiven Karriere. Frauen, die die Materie verstehen, sind wichtig im Fußball, auch wenn sie nicht auf dem Platz stehen.
Ihr eigener Weg in den Fußball war nicht einfach. Ihre Eltern wollten anfangs nicht, dass Sie Fußball spielen. Es sei ihnen nicht weiblich genug gewesen, heißt es. Sind Mama und Papa inzwischen darüber hinweg, dass Sie dennoch diese Leidenschaft für die Sportart haben?
Ach, schon längst. Im Gegenteil: Sie sind eher noch nicht darüber hinweg, dass ich aufgehört habe zu spielen. (lacht) Anfangs waren sie nicht angetan, das stimmt. Aber dann waren sie meine größten Fans. Mein Vater langweilte sich dann plötzlich jeden Sonntag, als er nicht mehr zu meinen Spielen fahren und zuschauen konnte. Er hat meiner Fußballkarriere mehr nachgetrauert, als ich.
Was würden Sie sagen: Was waren damals auf dem Platz Ihre größten Stärken?
Mein Ehrgeiz und mein unbändiger Wille.
Profitieren Sie davon heute in der Welt des Journalismus?
Nicht nur im Journalismus, im Leben ganz allgemein. Die Werte und die Eigenschaften, die der Fußball lehrt, bleiben für immer: Ehrgeiz, Disziplin und Wille, aber auch Teamfähigkeit, Kritikfähigkeit und der Umgang mit Rückschlägen und Niederlagen.
Wann haben Sie das erste Mal gemerkt: Ich spiele nicht nur gern. Ich rede, recherchiere und schreibe auch gern über Fußball?
Meine Mutter sagt immer, dass ich schon als Kind wie ein Wasserfall geplappert habe. (lacht) Aber das war nicht meine Initialzündung.
Sondern?
Als ich noch gespielt habe, habe ich gemerkt: Wenn da überhaupt mal eine Journalistin am Spielfeldrand stand, hatte die ihre Fragen nur auswendig gelernt. Frauen wurden oft nicht ernst genommen. Mein Antrieb war es, die Akzeptanz der Moderatorinnen und Reporterinnen zu steigern. Ich wollte zeigen, dass Frauen zugleich feminin und kompetent sein können.
„Wir brauchen weibliche Vorbilder in allen Branchen, die nicht aufgrund einer Quote oder weil sie laut jammern auf ihrem Posten sind.“ Ist ein Zitat von Ihnen. Sie bezeichnen sich selbst als große Befürworterin des Leistungsprinzips. Gab es dann in Ihren Augen lange Zeit einfach keine guten Frauen in der sogenannten Männerdomäne Fußball?
Es lag eher an den Voraussetzungen. In der Fußballmedienbranche bewerben sich seit jeher viel mehr Männer als Frauen. In der viel kleineren Auswahl an Frauen muss erstmal eine Vertreterin dabei sein, die besser ist als der beste Mann, oder zumindest gleich gut. Und dann muss es auch Entscheider geben, die nicht nur nach dem Nächstbesten, sondern auch nach der Nächstbesten Ausschau halten. Das dauert. Aber es funktioniert. Ich bin ja zum Beispiel großer Fan von Esther Sedlaczek. Kompetente, selbstbewusste Frauen sorgen dafür, dass sich wiederum mehr junge Mädchen für die Fußball-Berichterstattung interessieren. Und dafür, dass beim nächsten Mal wieder eine Frau in Betracht gezogen wird. Das ist viel effektiver, als zu jammern.

Sehen Sie sich selbst auch als Vorbild für junge Frauen?
Eher als gutes Beispiel, wie es funktionieren kann.
Es heißt, einige Kollegen in der Fußballbranche mussten Sie von Ihren fachlichen Qualitäten überzeugen, indem Sie ein paar Tricks am Ball zeigten.
Das ist in einem Geschäft, wo so viel Geld und so mächtige Player im Spiel sind, normal. Für Männer und Frauen. Das sind teilweise auch enorm große Egos unterwegs und Menschen, die Herausragendes geleistet haben. Jedes falsche Wort kann dir um die Ohren fliegen. Das ist völlig normal. Jeder will sein Stück Kuchen behalten, und wenn du ein Stückchen abhaben willst, musst du es dir verdienen.
In den vergangenen Jahren hat der Anteil der Frauen in der deutschen Fußball-TV-Landschaft sichtbar zugenommen. Esther Sedlaczek haben Sie schon angesprochen. Wie versuchen Sie sich von Ihren Kolleginnen abzuheben?
Muss ich das? Ich versuche in aller erster Linie, durch Leistung zu überzeugen, immer sehr gut vorbereitet zu sein. Mein Background als Spielerin ist für mich als Moderatorin mein USP, mein Unique Selling Point. Ich würde sagen, mein Look ist anders als der von den meisten Kolleginnen in Deutschland und der Schweiz. Ich trete sehr feminin auf und bin wohl in der Mitte zwischen dem Prototyp einer italienischen und einer deutschen Moderatorin angesiedelt. In Italien sind durchsichtige Oberteile und Miniröcke normal – das ist auch mir teilweise too much, aber eine gesunde Mischung finde ich gut. Frauen dürfen ihre Weiblichkeit hervorheben, ohne dass ihnen Kompetenz abgesprochen wird – auch im Fußball.
Sie haben in Deutschland schon für Sport1, Bild und Sky gearbeitet. Aktuell sind Sie Fußballmoderatorin in der Schweiz beim Pay-TV-Sender Blue Sport. Sind die Schweizer Zuschauerinnen und Zuschauer anders, vielleicht entspannter, als die deutschen?
Der Vergleich zwischen dem deutschen ‚Doppelpass‘ in Frühshopping-Atmosphäre mit Bier-trinkenden Fans und einer Champions-League-Show im Schweizer Studio mit Glanz und Glamour ist natürlich schwierig. (lacht) Aber ich glaube, ja: Etwas gemäßigter geht’s hier in der Schweiz schon zu. Anders ist das richtige Wort.
Wenn Sie im ‚Doppelpass‘ auf Sport1 zu sehen sind, müssen Sie sich immer wieder schlimme Kommentare anhören, insbesondere im Netz. Wie haben Sie gelernt, damit umzugehen?
Das war ein Prozess. Diese Leute werden sich nicht ändern. Die werden weiterhin ihren Müll ins Netz kippen. Daher musste ich lernen, damit klar zu kommen. Umerziehen kann und will ich solche Leute nicht. Aber meinen Weg weiterverfolgen: Das kann ich. Erfolg ist bekanntlich die beste Rache.
Als Sie im Doppelpass sagten, Nuri Sahin fehle die Aura, um eine Mannschaft wie Borussia Dortmund zu trainieren…
… da wurde ich zerrissen. Von der Runde, vor allem aber im Netz, überall.
Was dachten Sie, als Sahin tatsächlich kurz danach gehen musste?
Ich habe den Ausschnitt nochmal gepostet. Und dann habe ich gedacht: Als ob sich jetzt irgendjemand bei mir entschuldigt. Aber eine Genugtuung war es schon.
Blicken wir nochmal auf die Frauen-EM in der Schweiz. Solche Turniere sind für eine Sportjournalistin ein Highlight. Ist es für Sie als ehemalige Junioren-Nationalspielerin aber auch eine Zeit der Wehmut: In der Sie denken „Ach, da wäre ich gerne am Start…“
Klar. Bei einem so großen Turnier auf dem Rasen zu stehen, das wäre schon etwas gewesen. Die Aussichten waren gut. Aber ich bin mit meinem Job am Spielfeldrand sehr zufrieden.
Letzte Frage: Sie sind in Deutschland geboren, haben italienische Eltern und arbeiten in der Schweiz: Drücken Sie bei der Frauen-EM Deutschland, Italien oder inzwischen sogar der Schweiz die Daumen?
Bei den Männern fiebere ich mit Italien mit. Der Bezug zu dem Land ist durch meine Eltern riesig. Aber bei den Frauen bin ich für Deutschland. Manche der Spielerinnen kenne ich noch von früher. Denen gönne ich alles.
Valentina Maceri, 31, spielte schon in jungen Jahren auf höchsten Niveau Fußball. Mit 18 wechselte sie in die Heimat ihrer Eltern zum ASD CF Bardolino, einem Top-Club in Italien. Mit 19 gab sie ihr Debüt in der Champions League. Ein Jahr später beendete sie ihre Fußballkarriere, um Sportjournalistin zu werden. Nach Stationen bei Sport1, Sky und Bild zog es sie in die Schweiz. Dort moderiert sie die Champions-League-Spiele für den Schweizer Fernsehsender Blue Sport. Am 13.5. erscheint ihr erstes eigenes Buch mit dem provokanten Titel „Fuck Female Empowerment“. Darin schildert sie ihren persönlichen Umgang mit Themen wie Sexismus und Diskriminierung in der Männer-Domäne Fußball, erklärt warum der moderne Feminismus die Gleichberechtigung ihrer Meinung nach eher ausbremst, als dass er sie vorantreibt – und zeigt ihren eigenen Ansatz auf.