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# Frauenfußball

Mama ist Nationalspielerin


Almut Schult

Würde diese Überschrift lauten „Papa ist Nationalspieler“, wäre das kein Thema. Almuth Schult aber, Torfrau der DFB-Frauen, war bis vor kurzem die einzige spielende Mutter im deutschen Profifußball. Im Interview mit Continental erzählt die Nationaltorhüterin, wie sich Mutterschaft und Leistungssport vereinen lassen. Was sich im Fußball für künftige Spielerinnen-Generationen ändern muss. Und warum Kinder im Mannschaftshotel eine gute Idee sein können.

 

Frau Schult, Sie erwarteten Ihr drittes Kind. Wann ist es denn soweit, oder sind wir mit der Frage nicht mehr aktuell?

Nein, die ist noch aktuell. Ende August ist es soweit.

 

Was sagen denn Ihre Zwillinge dazu, dass sie ein Geschwisterchen bekommen? Mit drei Jahren macht man sich schon ein paar Gedanken dazu…

Och, die freuen sich. Sie streiten sich nur, ob’s ein Junge oder Mädchen wird. Der Sohn möchte ein Brüderchen, die Tochter ein Schwesterchen. Wie das halt so ist. Immerhin ein Kind wird glücklich sein… (lacht).

 

Und was sagt die Sportlerin in Ihnen dazu? Gab es eine Auseinandersetzung der Mutter Almuth Schult und der Nationalspielerin Almuth Schult zum Thema Familienzuwachs? Sie verpassen dadurch die Weltmeisterschaft.

Die Sportlerin in mir will immer auf dem Platz stehen und spielen, das ist klar. Die Mutter wiederum ist gerne bei der Familie zuhause – und das auch schon vor der Geburt der Kinder, das habe ich als Kind vom Bauernhof mein Leben lang so mitbekommen. Mein Mann und ich waren uns einig, dass wir noch ein drittes Kind haben möchten. Und ich wollte nicht erst mit 40 an ein weiteres Kind denken. Aber ich habe einen gesunden Ehrgeiz! Es juckt mich in den Fingern und Füßen. Ich werde alles daransetzen, zurückzukommen!

 

2022 bei der EM in England kamen Sie nicht zum Einsatz, Merle Frohms stand im Tor. Sie waren mit Ihren beiden Kindern nah bei der Mannschaft. Tat das nicht auch weh, als seinerzeit 65fache Nationalspielerin?

Also, ganz ehrlich: Natürlich tut das weh. Du bist Sportlerin, eine Europameisterschaft ausgerechnet auch noch im fußballbesessenen England – und du schaust in gewisser Weise zu. Ich war vorher die Nummer 1, und dann bist du es nicht mehr. Aber Fußball ist ein Mannschaftssport, die persönlichen Befindlichkeiten haben zurückzustehen. Das würde ich auch von jeder anderen Spielerin erwarten, die unzufrieden ist. Von daher: Ich hatte mit den Kindern eine tolle Zeit in England, wirklich. Ich war Teil des Teams.

 

Und Ihre Kinder auch. Sie sollen ja einen positiven Effekt auf die Stimmung im Team gehabt haben.

Ja, es machte den Eindruck, dass sie eine Fröhlichkeit hereingebracht haben. Es war eine Premiere, vermutlich im gesamten deutschen Fußball. Normalerweise ist es eher verpönt, dass die Familie einer Spielerin oder eines Spielers so nah ans Team rückt und im gleichen Hotel wohnt.

 

Das wäre bei den DFB-Männern undenkbar. Warum eigentlich?

Ja, warum eigentlich? Gute Frage! Wenn es doch einen positiven Effekt haben kann? Natürlich sollte man im Einzelfall entscheiden, was den Spielern guttut. Und vielleicht muss man auch aufpassen, dass die Gruppe nicht zu groß wird, falls dan wirklich jeder die gesamte Familie mitbringen möchte. Es kommt auf die Situation an. Bei mir hat es gepasst. Die Kleinen haben ihren Teil dazu beigetragen, dass kein Lagerkoller aufkam, dass die Stimmung locker war. Das ist doch schön.

 

Sie waren lange die einzige Mutter im deutschen Profifußball.

Seit Herbst letzten Jahres bin ich nicht mehr alleine. Melanie Leupolz ist nun auch Mutter geworden.

 

Warum gibt es so wenige Mütter im Fußball?

Wenn man sich die letzten 25, 30 Jahre im Leistungssport anschaut, nicht nur im Fußball, dann waren nicht viele Mütter dabei. Die Strukturen haben das nur schwer zugelassen. Das wird jetzt mehr, weil sich auch gesellschaftlich einiges tut. Dass Frauen nach einer Schwangerschaft zügig wieder in den Beruf einsteigen können, das ist heute zum Glück normal. Daneben gehen immer mehr Väter in Elternzeit. In Neuseeland hatten sie bis vor kurzem eine Regierungspräsidentin, die ist sogar im Amt Mutter geworden. Es kommt Bewegung in starre Strukturen.

 

Empfinden Sie es als ungerecht, dass Sie durch Schwangerschaft und Mutterschaft erst einmal aus dem Kader rutschen? Während Jungväter durchspielen – und sich nach einem Tor mit Babygesten feiern lassen?

Die Natur will es so, dass Frauen Kinder bekommen. Das ist eine schöne Erfahrung, die ein Mann nie haben wird. Nein, ich freue mich, wenn Jungväter hoffentlich nicht nur beim Torjubel am Daumen lutschen, und dieser Jubel sei ihnen wirklich gegönnt, sondern sich später als Trainer, Manager oder Funktionär auch dafür einsetzen, dass gemeinsam mit uns Frauen die Voraussetzungen für Mütter im Profisport deutlich verbessert werden und das Verständnis für das andere Geschlecht vorhanden ist.

 

Was muss sich verbessern?

Eine Menge. Es geht nicht nur um praktische Dinge wie etwa um die Kinderbetreuung im Trainingslager. Es geht auch um grundsätzliche Fragen: Welche Trainingsinhalte sind für Schwangere möglich? Wie wirkt sich der Monatszyklus auf das Leistungsniveau von Sportlerinnen aus? Wie kann ich als Frau nach der Geburt wieder optimal in den Sport einsteigen? Dazu gibt es zu wenige Untersuchungen. Und das liegt auch an den Männern, die rein von der Geschichte des Sportes her immer noch hauptsächlich in der Verantwortung stehen. Für die sind solche Dinge einfach nicht allgegenwärtig. Für uns Frauen aber sind sie fundamental.


Almut Schult Almuth Schult, 32, ist Torhüterin in der deutschen Fußballnationalmannschaft der Frauen. Derzeit steht sie nicht im Kader, sie erwartet im Spätsommer ihr drittes Kind. Schult war 2020 mit der Geburt ihrer Zwillinge die erste spielende Mutter im deutschen Profifußball. Fotos: DFB

Die Kita ruft an, das Kind ist krank. Das Abschlusstraining vor dem entscheidenden Saisonspiel steht an. Und dann?

In dem Fall würde die Kita nicht bei mir anrufen, sondern bei meinem Mann oder meinen Eltern oder Schwiegereltern. Man wird es also nicht erleben, dass ich bei einem Länder- oder Vereinsspiel plötzlich einen Zettel zugesteckt bekomme und fluchtartig das Tor verlasse. (lacht) Es geht in meinem Job auch nicht, morgens vorm Spitzenspiel die Trainerin oder den Trainer anzurufen und zu sagen: ‚Coach, ich spiele heute nicht, die Kinder sind krank.‘

 

Aber die vielen schlaflosen Nächte …

Berufsrisiko. Überhaupt hat sich der Alltag nach der Geburt der Zwillinge komplett geändert. An einem freien Tag kann ich nicht einfach sagen, so, ich lege mich heute ins Bett und lese. Wenn die Kinder wach sind, sind sie wach. Und wenn die Nacht vorm Spiel kurz war, dann ist das so. Wobei wir zuhause ein gutes Team sind. Wenn ich vor einem wichtigen Spiel stehe, dann kümmert sich mein Mann in der Nacht davor auch mal hauptsächlich um die Kinder.

 

Sie haben nach der Geburt Ihrer Zwillinge noch aktiv in Wolfsburg gespielt. Sie leben im Wendland und mussten pendeln. Haben Sie die Autofahrten auch genießen können? Keine Kinder, keine Trainerin…

Je nach Tagesform. Wenn zuhause die Wogen hochschlugen und ich knapp weggekommen bin, hätte ich mich über eine kurze Fahrt gefreut. Aber tatsächlich habe ich die Stunde im Auto auch oft genossen, definitiv. Das war eine Stunde für mich. Ich habe früher gern gelesen, das kommt heute oft zu kurz. Auf den Fahrten habe ich mir dann Hörbücher oder Podcasts angehört.

 

Alle Welt redet von autonom fahrenden Autos. Für Sie wäre das schon praktisch – oder fahren Sie gerne selbst?

Ich fahre schon recht gerne selbst Auto, muss ich sagen. Es gibt aber manche Tage, da bin ich müde nach einer unruhigen Nacht oder einfach nur erschöpft nach einem Training und würde mich über eine Stunde Schlaf im selbstfahrenden Auto freuen.

 

Sie sind 2022 nach Los Angeles gewechselt. Der Verein Angel City FC gehört mehrheitlich Frauen, etwa der Schauspielerin Natalie Portman und der früheren US-Stürmerin Mia Hamm. War das ein Grund?

Ja, da herrschten ganz andere Voraussetzungen. Der Club wurde erst 2020 gegründet, alle Strukturen sind nur auf die eine Frauenmannschaft ausgelegt. Es gibt weder eine Männermannschaft noch ein Jugendteam. Alles wurde auf das Wohlbefinden der Frauenmannschaft hin organisiert. Es war spannend zu sehen was möglich ist, wenn man nicht versucht, etwas in über hundert Jahre gewachsene Vereins-Strukturen und Traditionen zu integrieren, sondern komplett neu denken kann.

 

Nach nur drei Monaten sind Sie zurückgekehrt. War es doch zu viel mit den Kindern?

Nein. Die Saison war zu Ende und wir hatten einen Trauerfall in der Familie. Aber überhaupt hatten wir nie geplant für immer dorthin zu siedeln. Es ging um ungefähr ein halbes Jahr bis maximal ein Jahr. Wir sind sehr verwurzelt in meiner Heimatregion, dem Wendland.

 

Sie sind auf einem Bauernhof aufgewachsen und mussten sich damals sicher in einen fordernden Arbeitsalltag integrieren. Hilft Ihnen diese Erfahrung?

Sicher. Wenn ich kicken wollte, aber gleichzeitig etwas auf dem Hof zu tun war für meine Eltern, dann war das so. Da gab’s keine Diskussion. Auf der anderen Seite hatten die Eltern dennoch viel Zeit für uns Kinder. Und wir Kinder haben viel mitgearbeitet. Ich habe damals gelernt: Man kann seinen Beruf zu hundert Prozent ausüben, auch wenn die Kinder dabei sind.

 

Die Nationalspielerinnen Kristine Minde aus Norwegen und Sara Björk Gunnarsdóttir aus Island, beides Jungmütter, fühlen sich durch Sie inspiriert.

Wir inspirieren uns gegenseitig. Wir wissen alle drei, wie es ist, Mutter im Leistungssport zu sein. Man tauscht sich aus. Ich wurde schon öfter gefragt, wie ich dies oder das mit Kindern organisiert bekomme. Wie man etwas einfordert beim Verein.

 

Sehen wir Sie irgendwann als Nationaltrainerin am Spielfeldrand? Mit drei Kindern in der Pubertät?

(Lacht laut). Ich weiß wirklich nicht, wo meine Reise hinführt. Eins nach dem anderen. Im August kommt hoffentlich das Kind gesund auf die Welt. Dann heißt es: Weiter Erfahrungen sammeln.